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Der Meisterbrief - nur ein teures Papier?












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Atmando - der Weg aus Frankfurt und zurück
Selbstfindung im Business-Dschungel

Je hektischer das Stadt- und Berufsleben wird, desto gefragter sind Entspannung, Fitness und Wellness. Der immer mehr von fernöstlichen Methoden geprägte Markt wächst - zusammen mit den Belastungen - allmählich zu einem kaum noch durchschaubaren Dschungel.
Besonders in gut bezahlten Management-Positionen führen hohe Anforderungen und Stress oft dazu, dass Körper, Geist und Seele aus der Balance geraten. Die ständige Geschäftigkeit und das Getriebensein überlagern die innere Stimme und die Signale des Körpers.

Das "Atmando Holistic Center" in Frankfurt will betroffenen Menschen als Refugium dienen. Auch hier, in der fünften Etage des BMW-Hauses in der Hanauer Landstraße, soll man seit September 2005 abschalten können und lernen, auf sich selbst zu achten. Das Ehepaar Michel und Michelle Delon bietet ganzheitliches Life-Coaching und Training - Yoga, Meditation und Qi Gong inklusive.

Ich wollte wissen, was hinter dem Namen "Atmando Holistic Center" steckt. Ein weiterer "Tempel" oder "kosmischer Club" im diffusen "Orient-Wellness-Mix"? Wieder eine neue Yoga-Form? Gestressten Business-Menschen wird inzwischen unter dem Begriff Yoga von der Gymnastik-Großveranstaltung über "Speed-Meditation" und "Spirit to go" per Telefon bis zur "Instant-Erleuchtung" verwirrend viel geboten.

"Es ist mehr als Yoga, was wir hier machen", stellt Michel Delon fest. "Kommen Sie, dann werden Sie sehen."
"Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt er nach einer Führung durch 400 sehr ansprechend gestaltete Quadratmeter. "Das waren früher Büroräume."
Wir sitzen bei leiser Jazz-Musik in der "Atmando Bar". Es gibt Cappuccino und Kekse. Als ich frage, wo denn der Kräutertee und die Räucherkerzen bleiben, muss auch seine Frau Michelle lachen. Selbstfindung und Bewusstheit scheinen hier ganz von dieser Welt zu sein.

"Atmando" steht jedenfalls für eine sehr handfeste und individuelle Geschichte, für einen langen Weg, der in den siebziger Jahren in Frankfurt begann.
Michel Delon war damals Leiter und Inhaber des "United Sporting Club", erfolgreicher Meister und Lehrer in "Martial Arts". Er beherrschte Aikido, Judo, Taekwondo, Kung Fu, Ju Jutsu, Karate, Muay Thai (Thai-Boxen), Ringen und Boxen. Er hatte Schwarze Gürtel, viel Geld, schicke Autos, Ruhm und Anerkennung, vor allem bei den Frauen. Das war es, was den Meister selbst beherrschte.
"Ich hatte alles, aber ich war sehr unglücklich. Ich war Nummer Eins, aber ohne Ziel."
Mit aller Härte zeigte ihm sein Körper schließlich die Grenzen. Das ständige Übergehen seelischer und körperlicher Schmerzen zwang Delon buchstäblich in die Knie. Mit Mitte Dreißig konnte er sich nur noch im Rollstuhl oder auf Krücken fortbewegen. Die Kniegelenke, die Menisken und auch die Fußgelenke hatten schweren Schaden erlitten. Er unterzog sich einigen Operationen, die jedoch keinen Erfolg brachten. Die Ärzte glaubten nicht mehr an Besserung, geschweige denn Heilung.
Doch Michel Delon ersann neue Ziele und Strategien.
Im Krankenhausbett spielte er Schach und las "Das Buch der fünf Ringe" von Miyamoto Musashi. Der "Ronin", ein Kämpfer, der im Gegensatz zum "Samurai" keinem Herrn, sondern nur sich selbst dient, beeindruckte ihn. Und er erkannte, dass seine westlich geprägten Kampfsportpraktiken nicht mehr viel mit dem Geist asiatischer Kampfkunst zu tun hatten.

"Stärke kommt, wenn ein großes Ziel da ist", sagt er.
Sein neues großes Ziel war seine Selbstheilung.
Radikal entsagte er seinem bisherigen Leben - dem Luxus, dem Kampf, den Frauen.
Er gab seinen Sport-Club auf und zog sich in eine kleine Wohnung zurück. Seine neue Strategie: makrobiotische Ernährung, Akupunktur und Yoga. Er las alles, was er darüber in die Hände bekam, und praktizierte Yoga - diszipliniert und unermüdlich, morgens, mittags, abends, nachts, acht Stunden täglich.
"Nach anderthalb Jahren war ich geheilt."
Natürlich sei es ihm zunächst schlecht ergangen. Aber allmählich habe er gespürt, wie alle Disziplinen ineinander griffen. Er fühlte, dass er auf einem guten Weg war. Sein Körper erwärmte sich, Blockaden und Verspannungen lösten sich. Er begann, sich selbst zu akzeptieren, die Schmerzen ließen nach.
"Als ich zum ersten Mal in den Park gehen konnte, liefen mir die Tränen übers Gesicht. So wunderbar war das."

Doch das war erst der Anfang seiner intensiven Studien und Erfahrungen in Sachen Heilung.
Sein nächstes Ziel war Indien - der Himalaya. Vom Pilgerzentrum Rishikesh aus wanderte er einfach in die Berge, um Ruhe zu finden. Mehr als die vielen Menschen faszinierten ihn nämlich die "Sadhus", die Asketen, die in der Lage sein sollen von Luft zu leben, von "Prana", der kosmischen Energie. Er fand seinen Platz. Ein Wandgemälde im "Zendo", dem Meditationsraum des "Atmando Holistic Center", stellt ihn vor einem Gebirgsmassiv, im Grünen an einem Bach, meditierend unter einem Gingko-Baum dar. Michel Delon verbrachte anderthalb Jahre in dieser Abgeschiedenheit.
Stufenweise erarbeitete er sich dort das Stillwerden im Lotus-Sitz. Seine Behausung war eine Felsenhöhle und nur selten hatte er Kontakt zu den Bewohnern des einige Kilometer entfernten Dorfes. Wenn er nicht fastete, aß er Getreide und Früchte.

Auf der Suche nach neuen Meistern reiste er weiter durch Vietnam, China, Korea, Japan und eignete sich fundiertes Wissen in fernöstlichen Heilmethoden wie der Traditionellen Chinesischen Medizin an. In den Vereinigten Staaten von Amerika waren indianische Schamanen seine Lehrer. Er machte einschneidende Grenzerfahrungen mit Free-Climbing. Allmählich kehrte er dann wieder auf den Boden und ins menschliche Leben zurück. Er war mit einem Jeep unterwegs und als dieser auf dem Weg nach Süden in die Knie ging, blieb er in Sedona, Arizona hängen. Der Grund: die Jurastudentin Michelle, seine heutige Ehefrau.
"Das war 1992", sagt er.
Ansonsten spricht er nicht viel über Zeit. Daran will er sich nicht festhalten.

Michelle und Michel lernen und arbeiten von nun an gemeinsam, praktizieren und unterrichten Yoga und Meditation, helfen und heilen Menschen. Sie betreiben ein vegetarisches Restaurant, zu dem auch eine kleine Jazz-Bühne gehört. In dieser Zeit entsteht das "Zendo"-Wandgemälde, als Bühnenbild auf Panelen. Damit auch Michelle den Fernen Osten kennen lernen kann, verkaufen die beiden ihr Geschäft und gehen für zweieinhalb Jahre auf Asienreise. Zurück in den USA, eröffnen sie in Los Angeles ein Trainings- und Gesundheitszentrum und haben damit große Erfolge.

Was Michel Delon einst aus Frankfurt wegführte, führt ihn schließlich auch wieder dorthin zurück: die Suche nach Heilung. Während eines Italien-Aufenthalts bekommt er Probleme mit einem Weißheitszahn und in Frankfurt gibt es einen Arzt … Der wundert sich sehr, dass Michel Delon noch am Leben ist. Seine Frau entdeckt derweil die Räume in der Hanauer Landstraße …
"Topfit" ist Delon seit seiner Selbstheilung und lebt ohne Beschwerden. Seine Kampfsportarten beherrscht er noch immer.
"Das verlernt man genauso wenig wie Schwimmen", sagt er.
Aber sein langer Weg hat ihn um vieles bereichert.
"Keine Extreme, sondern von allem etwas", lautet heute seine Devise.
Er setzt auf Integration, auf das harmonische Zusammenspiel aller Energien, von Ernährung, Training, Bewegung, auf Bewusstheit.

Wenn man Ost und West, Entspannung und Business, Selbstfindung und Muskeltraining, Meditation und Kampf vereinen will, so muss das weder Spagat noch Gratwanderung werden. Vielmehr können daraus Harmonie und Klarheit entstehen. Alles kommt in Fluss - wie bei der Vereinigung von "Yin und Yang". Das Gegensatzpaar von weiblich und männlich, dunkel und hell, unten und oben, weich und hart, ergänzt sich in der chinesischen Philosophie zum "Tao", zur universellen Einheit.
Die Einrichtung des "Atmando Holistic Center" spiegelt diese Einstellung wieder. Die Übungs-, Behandlungs- und Meditationsräume sind mit japanisch-chinesischer Inspiration gestaltet, die Fitness-Geräte in Weiß und Türkis stammen aus Amerika oder sind von Michel Delon selbst konstruiert. In der künstlerisch gestalteten "Atmando Bar" spielen Materialien und Motive aus Europa, Nord- und Südamerika und Asien zusammen. Die Tische und Stühle ließen die Delons nach eigenen Vorstellungen in Deutschland fertigen. Alles zusammen wirkt harmonisch und klar.

"Atmando" ist eine Wortschöpfung von Michel Delon - aus dem indischen "atman" (Selbst, höheres Bewusstsein) und dem japanischen "do" (Weg) - und bedeutet "Weg zum eigenen Selbst".
"Atmando Yoga" vereine das Sanfte des Yoga mit dem Harten des Kampfsports, erklärt er.
"Atmando Qi Gong" sowie Meditation und Atemübungen ergänzen die Methode. "Delonix" nennt er sein selbst entwickeltes Körpertraining, für das 200 Quadratmeter und zwanzig Geräte zur Verfügung stehen. Kinesiologie, Meridian-Theorie und medizinische Physiotherapie sind die wesentlichen Elemente dieses Konzepts. Michelle Delon hat sich auf Ernährungsthemen und die Bedürfnisse und Probleme berufstätiger Frauen spezialisiert.

Empfehlen würde er mir die Premium-Mitgliedschaft, sagt Delon. Sie beinhaltet individuelle Untersuchungen und Beratungen, alle genannten Übungsprogramme, regelmäßige Feedbacks sowie einen "Atmando"-Anzug. Für 350 Euro monatlich könnte ich dann Dauergast sein. Auch die Zen-Mitgliedschaft, die den beliebigen Rückzug ins "Zendo"-Meditationszentrum gestattet, und die Fitness-Mitgliedschaft für "Delonix", jeweils zu einem Monatsbeitrag von 200 Euro, stehen zur Wahl. Darüber hinaus können auch Einzeltermine vereinbart werden.

Die Delons wollen helfen, die Ursachen für Probleme zu erkennen, zu einer dem allgemeinen Wohlbefinden zuträglichen Lebensweise, zur Balance und letztlich zur Gesundung zu finden. Die auf den Einzelnen zugeschnittenen Programme sollen zum westlichen Geschäftsleben passen. Auch für die kurze Zeit in Frankfurt verweisen sie bereits auf gute Erfolge. Um Individualität und Qualität zu gewährleisten, wollen sie maximal 50 bis 100 Personen betreuen.

"Es ist möglich, Verantwortung zu übernehmen, das eigene Leben in die Hand zu nehmen, das Gleichgewicht wieder zu finden", meint Michel Delon.
Wer sollte es besser wissen als er?
"Instant", per Telefon oder anderweitig "abgehoben" funktioniert das aber offensichtlich nicht. Es ist ein individueller Weg, ein Bewusstwerdungsprozess, der auf Erfahrung aufbaut.
Für den Einen oder die Andere mag es sich vielleicht lohnen, auf dem Weg durch den Business-Dschungel "Atmando", den Weg zum eigenen Selbst, zu integrieren. Man muss ja nicht eigens in schwindelnde Höhen steigen wie Michel Delon, sondern man kann - immerhin über den Dächern Frankfurts und selbst - von dessen Erfahrungen profitieren.

Weitere Informationen auf www.atmando.com

+++ Copyright: Doris Niersberger +++